Klimawissen – made in Bern
Dr. Raphael Neukom

«Die gegenwärtige, von Menschen verursachte globale Erwärmung ist beispiellos.»

Nachhaltigkeit

Klima erwärmt sich so schnell wie nie in den letzten 2000 Jahren

Im Unterschied zu vorindustriellen Klimaschwankungen erfolgt die gegenwärtige, vom Menschen verursachte Klimaerwärmung auf der ganzen Welt gleichzeitig. Zudem ist die Geschwindigkeit der globalen Erwärmung so gross wie nie seit mindestens 2000 Jahren. Das zeigen zwei Studien der Universität Bern.



Viele Menschen machen sich von der «Kleinen Eiszeit» (ca. 1300 bis 1850) ein klares Bild. Es ist geprägt von Gemälden, die Schlittschuh laufende Menschen auf holländischen Grachten zeigen oder Gletschern, die weit in die Alpentäler vorstossen. Dass es in Europa mehrere Jahrhunderte lang aussergewöhnlich kühl war, ist nicht nur durch historische Gemälde belegt, sondern auch durch eine Vielzahl von Temperaturrekonstruktionen etwa anhand von Baumringen. Weil es auch für Nordamerika solche Rekonstruktionen gibt, ging man bisher davon aus, dass es sich bei der «Kleinen Eiszeit» oder der ebenso bekannten «Mittelalterlichen Warmzeit» (ca. 700 – 1400) um weltweite Phänomene handelte. Nun aber zeichnet eine internationale Gruppe um Raphael Neukom vom Oeschger-Zentrum für Klimaforschung ein ganz anderes Bild dieser vermeintlich globalen Klimaschwankungen. In einer «Nature»-Studie und in einer ergänzenden Publikation in «Nature Geoscience» zeigt das Team, dass sich für die vergangenen 2000 Jahre global einheitliche Warm- und Kaltphasen nicht nachweisen lassen.

Vergangene Klimaschwankungen verliefen regional unterschiedlich

Die Erklärung dafür sehen die Studienautoren darin, dass das regionale Klima in vorindustrieller Zeit vor allem von zufälligen Schwankungen innerhalb des Klimasystems beeinflusst war. Externe Faktoren wie beispielswiese Vulkanausbrüche oder Sonnenaktivität seien nicht stark genug gewesen, um über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte zeitgleich auf der ganzen Welt für ausgesprochen warme oder kalte Temperaturen zu sorgen.

Berechnet wurden nicht nur absolute Temperaturwerte, sondern auch die Wahrscheinlichkeit von extrem warmen oder kalten Jahrzehnten und Jahrhunderten. Das Resultat: Während keiner der untersuchten Phasen ergab sich global ein kohärentes Bild. «Die Minimal- und Maximaltemperaturen waren räumlich sehr unterschiedlich verteilt», sagt Raphael Neukom. Aus regionalen Temperaturphänomenen wie der oft erwähnten «Mittelalterlichen Warmzeit» in Europa und Nordamerika könne also nicht auf globale Wärmeextreme geschlossen werden.

Wussten Sie, dass?

«Die Datenbank des internationalen Forschungskonsortiums PAGES (Past Global Changes) bietet einen umfassenden Überblick von Klimadaten der vergangen 2000 Jahre. Dazu zählen neben Baumringen auch Eisbohrkerne, Seesedimente und Korallen. PAGES ist an der Universität Bern angesiedelt.»

Gegenwärtige Warmphase verläuft erstmals weltweit gleichzeitig

Für die jüngste Vergangenheit jedoch lassen sich globale Trends nachweisen. Die beiden Studien haben ergeben, dass die mit grosser Wahrscheinlichkeit wärmste Phase der vergangenen 2000 Jahre im 20. Jahrhundert liegt. Und zwar auf über 98 Prozent der Erdoberfläche. Das zeigt einmal mehr, dass der aktuelle Klimawandel nicht mit zufälligen Schwankungen zu erklären ist, sondern durch vom Menschen verursachte Emissionen von CO2 und anderen Treibhausgasen. Was man bis heute nicht wusste: Nicht nur die globalen Durchschnittstemperaturen waren im 20. Jahrhundert so hoch wie nie zuvor in den letzten mindestens 2000 Jahren, erstmals geschah die Erwärmung auch auf der ganzen Welt gleichzeitig. Und die Geschwindigkeit der globalen Erwärmung war nie so hoch wie heute.

Geschwindigkeit globaler Erwärmung
Die Grafik zeigt die Geschwindigkeit der globalen Erwärmung respektive Abkühlung in den vergangenen 2000 Jahren: Momentan erwärmt sich das Klima mit einer Rate von mehr als 1,7 Grad pro Jahrhundert (ganz rechts). Ohne menschlichen Einfluss liegen die maximal zu erwartenden Erwärmungsraten bei knapp 0,6 Grad pro Jahrhundert (grüne Linie). Klimamodelle (orange gestrichelte Linie) können diese natürliche Obergrenze sehr gut simulieren. Rot dargestellt sind in der Grafik Zeiträume (jeweils über 51 Jahre gleitend), in denen die rekonstruierten Temperaturen zugenommen haben. In blau dargestellten Perioden nahmen die globalen Temperaturen ab. Instrumentelle Messungen seit 1850 (in schwarz) bestätigen diese Zahlen.
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