Mars-Kamera made in Bern
Prof. Dr. Nicolas Thomas

«Wenn die Marskamera CaSSIS in Bern wäre, könnte sie Autos in Zürich abbilden – in Farbe und Stereo!»

Materie und Universum

CaSSIS liefert spektakuläre Bilder vom Mars

Die Mars-Kamera CaSSIS liefert hochaufgelöste, farbige Bilder der Marsoberfläche, die auch 2019 international für Aufsehen sorgten. Das an der Universität Bern entwickelte Kamerasystem startete seine Reise zum Mars 2016 an Bord der Raumsonde ExoMars Trace Gas Orbiter (TGO).

 

ExoMars ist eine Weltraummission der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Zusammenarbeit mit der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos. ExoMars steht für Exobiologie auf dem Mars: Erstmals seit den 1970er-Jahren wird wieder aktiv nach Leben auf dem Mars geforscht.

Die Raumsonde ExoMars Trace Gas Orbiter (TGO) ist seit Oktober 2016 in der Marsumlaufbahn, 2022 soll dann der Rover «Rosalind Franklin» seine Reise zur Marsoberfläche starten. Der TGO und der Rover werden Erkenntnisse dazu liefern, wie sich das Wasser und die geochemische Umgebung auf dem Mars im Laufe der Zeit verändert haben.

Daten vom Mars in Farbe und in höchster Qualität

An Bord des TGO befindet sich das «Colour and Stereo Surface Imaging System» (CaSSIS), ein Kamerasystem das von einem internationalen Team unter der Leitung von Nicolas Thomas vom Physikalischen Institut der Universität Bern entwickelt wurde.

CaSSIS beobachtet seit April 2018 den Mars und liefert hochaufgelöste, farbige Bilder der Marsoberfläche, die international für Aufsehen sorgen. «Raumsonden beim Mars können Bilder mit einer mindestens 1'000-mal höheren Auflösung liefern, als wir sie von bodengebundenen oder erdumkreisenden Teleskopen erhalten können. Darüber hinaus erlaubt uns die Stereofähigkeit der Kamera, die lokale Beschaffenheit mit der Topographie in Beziehung zu setzen. Somit erhalten wir dreidimensionale Bilder», sagt Nicolas Thomas.

Im März 2019 hat die CaSSIS-Kamera ihr erstes Bild von InSight geliefert, dem Lander der NASA auf dem Mars. Die Bilder, die im September 2019 folgten, lieferten dann Hinweise auf Gasausbrüche in Dünenfeldern, Klimawandel und trockene Lawinen auf dem Mars. Die CaSSIS-Bilder zeugen so von den beeindruckenden wissenschaftlichen Fähigkeiten des Berner Kamerasystems.

Wussten Sie, dass?

«Die Mars-Kamera CaSSIS wurde in Rekordzeit fertiggestellt: Normalerweise rechnet man für die Entwicklung eines solchen Instruments 38 Monate. Geschafft haben es Nicolas Thomas und sein Team in nur 23 Monaten.»

CaSSIS hilft auch bei der Suche nach guten Landeplätzen

Das Team hat auch aktive Geysirstrukturen in der südlichen Hemisphäre auf dem Mars im Visier. «Einige dieser Geysire können bis zu 140 Meter hoch werden – also so hoch wie der Jet d'Eau in Genf. Aber die Jets auf dem Mars sind gasgetrieben und schwer zu identifizieren», erklärt Nicolas Thomas.

Besonders spannend ist die CaSSIS-Aufnahme vom Oyama-Krater auf dem Mars: «Die verschiedenen Schichten in den Wänden des kleinen Kraters sind freigelegt, was uns gewissermassen ein Fenster in die Vergangenheit öffnet», so Nicolas Thomas.

Solche Gebiete seien besonders interessant für die zukünftige Erforschung des Mars, da dort aufgrund des Einflusses von Wasser Spuren vergangenen Lebens vorhanden sein könnten. «Die CaSSIS-Bilder helfen uns also auch, Gebiete zu identifizieren, die als  Landeplätze und für die weitere Erforschung unseres Nachbarplaneten in Frage kommen.»

Alle Daten werden in ein öffentliches Archiv gestellt. Es ist geplant, die ersten Daten Mitte 2020 der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Förderung durch das SBFI / Abteilung Raumfahrt

CaSSIS ist ein Projekt der Universität Bern und ist finanziert von der Abteilung Raumfahrt des SBFI durch das PRODEX-Programm (PROgramme de Développement d'Expériences scientifiques) der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Die Entwicklung der Instrumentenhardware wurde auch von der italienischen Weltraumbehörde (ASI), dem INAF/Astronomischen Observatorium Padua und dem Space Research Center (CBK) in Warschau unterstützt.

Bei allen Instrumenten, die in der Schweiz entwickelt werden, stammen wesentliche Beiträge und/oder Teillieferungen aus der Schweizer Industrie. Das PRODEX-Programm, in dessen Rahmen wissenschaftliche Instrumente oder Teilsysteme bereitgestellt werden, verlangt eine industrielle Beteiligung und fördert so einen Wissens- und Technologietransfer zwischen Hochschulen und Industrie und verschafft dem Werkplatz Schweiz einen strukturellen Wettbewerbsvorteil – nicht zuletzt auch dank Spill-over-Effekten auf andere Sektoren der beteiligten Unternehmen. Beteiligungen der Schweiz an Programmen der ESA erlauben es Schweizer Akteuren aus Wissenschaft und Wirtschaft, sich ideal in entsprechenden Aktivitäten der ESA zu positionieren.

Berner Weltraumforschung: Seit der ersten Mondlandung an der Weltspitze

Als am 21. Juli 1969 Buzz Aldrin als zweiter Mann aus der Mondlandefähre stieg, entrollte er als erstes das Berner Sonnenwindsegel und steckte es noch vor der amerikanischen Flagge in den Boden des Mondes. Dieses Solarwind Composition Experiment (SWC), welches von Prof. Dr. Johannes Geiss und seinem Team am Physikalischen Institut der Universität Bern geplant und ausgewertet wurde, war ein erster grosser Höhepunkt in der Geschichte der Berner Weltraumforschung.

Die Berner Weltraumforschung ist seit damals an der Weltspitze mit dabei. In Zahlen ergibt dies eine stattliche Bilanz: 25mal flogen Instrumente mit Raketen in die obere Atmosphäre und Ionosphäre (1967-1993), 9mal auf Ballonflügen in die Stratosphäre (1991-2008), über 30 Instrumente flogen auf Raumsonden mit, und mit CHEOPS teilt die Universität Bern die Verantwortung mit der ESA für eine ganze Mission.

Die erfolgreiche Arbeit der Abteilung Weltraumforschung und Planetologie (WP) des Physikalischen Instituts der Universität Bern wurde durch die Gründung eines universitären Kompetenzzentrums, dem Center for Space and Habitability (CSH), gestärkt. Der Schweizer Nationalsfonds sprach der Universität Bern zudem den Nationalen Forschungsschwerpunkt (NFS) PlanetS zu, den sie gemeinsam mit der Universität Genf leitet.

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